Am Joasa Hof bekommt man viel mehr als nur ein Produkt
Schon die erste Speisereise der FoodCoop Osttirol im Juni 2021 hat klar gemacht, „dass EIN einzelner Besuch auf dem Joasa Hof niemals ausreichen wird“. Ja, dieses Gefühl ist wiederum bei der diesjährigen Speisereise aufgekommen. Wir haben den Hof von Brigitte und Andreas kennengelernt, unglaublich Vielfältiges erfahren und kehren doch mit weiteren Fragen heim. Aber wir haben bald wieder Gelegenheit, nachzufragen, weiter zu erkunden, was denn das alles hier so „rund macht“. Brigitte bietet an, im Herbst dieses Jahres zu uns in die „neue FoodCoop“ zu kommen und u.a. mehr über ihre Leidenschaft der Käseherstellung zu berichten und uns detaillierteren Einblick in die Abläufe dabei zu geben.
Und vielleicht auch weitere bunte, herzerwärmende Geschichten aus ihrem Alltag zu erzählen. So wie jene von einem Hirten und Käser, der sich mit seiner Freundin, Ziegen, Esel und Hund von der Schweiz über Osttirol nach Kärnten aufgemacht hat - zu Fuß und im Vertrauen, dass das auch alles gut geht. Dabei hat er im Joasa Hof Rast gemacht und mit seinem Wissen über Käseherstellung zur Begeisterung von Brigitte für die eigene Käserei beigetragen.
Oder die Geschichte zu einem vor wenigen Jahren gepflanzten Birnbaum, der so schön wächst, dass ihn die 92-jährige Mutter von Andreas auch gerne von der Nähe sehen und angreifen möchte – dafür hat Andreas eigens einen ebenen Zugang gestaltet, sodass dies für die alte Frau auch möglich ist.
Apropos Obstbäume. Es war auch schön hier über die Verbindung Joasa Hof - FoodCoop zu erfahren: Brigittes junge Obstbäume - eine ihrer neuen Leidenschaften - stammen aus der Baumschule Fruchttrieb von Eva und Philipp (Mitglieder guten Speis).
Der Joasa Hof ist ein Erbhof, der über zumindest sechs Generationen gewachsen ist, aber unter der Hofführung von Andreas und Brigitte bewusst nicht mehr vergrößert wurde. Die Philosophie dabei: „Wir können mit unserem Hof für fast alles sorgen, was wir für unser tägliches Leben brauchen. Wir haben unser Gemüse, unsere Kartoffeln, Weinstöcke und Obstbäume, unser Getreide, Brot und Käse, unsere Tiere - Hühner, Ziegen, Pferde, Kühe, Schweine, Katzen, Mäuse, Schwalben....und den Hofhund Bella. Diese Größe unseres eher kleinen Betriebes passt.“
So klar und selbstverständlich kann Suffizienz gelebt und erlebbar werden. Heuer sind es vier, manchmal bis zu 10 verschiedenen Kartoffel-Sorten, die hier rund um den Hof wachsen. Auch alle Getreide-Sorten, z.B. auch Chrysanth Hanser, eine uralte Roggensorte, aus Ähren, die über 20 Jahre unbemerkt am Dachboden gelagert waren und nun zur eigenen Hofsaat wurden. Ebenso wachsen hier ab und an Buchweizen und Amaranth; Andreas hat auch schon einmal eine Weizensorte aus Nepal ausprobiert.
Der Stall für die derzeit insgesamt 6 Kühe und Jungvieh ist aus eigenem Lärchenholz gebaut. Kein Laufstall, die Kühe sind auf der Wiese rund um den Hof und kommen zum Melken in den Stall. Für Brigitte birgt dies eine bessere Möglichkeit, mit ihren Tieren in Beziehung zu sein.
Oder die Kühe (Galtvieh und Jungvieh) sind – wie am Vortag unseres Besuchs – mit Andreas auf dem Weg zu ihren Almen. Es ist eine Gemeinschafts-Beweidung von insgesamt ca. 140 Tieren mit einem Hirten.10 km haben sie zurückgelegt, um den ersten von insgesamt 7 Weideplätzen in den Karnischen Alpen zu erreichen. Die letzte Station ist dann die Alm in den Stucken im hintersten Leitertal – der „allerschönste Platz“ für ihre Tiere. Es ist Galt- und Jungvieh. Die Kälber bleiben bei ihrer Mutter. Nur die Milch, die nicht von den Kälbern getrunken wird, ist für die Menschen. Und das reicht gut für Käse, Topfen, Joghurt und Co, meint Brigitte.
Der Austausch mit anderen, v.a. Demeter-Bäuerinnen und Bauern in Südtirol ist etwas ganz Wichtiges für die beiden. Da geht es um praktische Erfahrungen aber auch um Diskussionen über die Philosophie von Rudolf Steiner als Grundlage für ihre Landwirtschaft und wie diese auch heute noch für sie stimmt oder was es vielleicht auch neu zu denken gilt. Diese Treffen finden einmal im Monat statt und bedeuten gleichzeitig auch Verbundenheit und Freundschaften zu pflegen.
Die Verbindung zur „weiten Welt“ leben Brigitte und Andreas über die Institution WWOOF (Worldwide Opportunities on Organic Farms (WWOOF). So kommen Menschen aus vielen Ländern zu ihnen auf den Hof, um mit ihnen zu arbeiten, ökologische Landwirtschaftspraktiken kennen zu lernen und Wissen und Kultur auszutauschen.
Nach der Hofführung sitzen wir im Schatten des Bauernhofs zusammen, dürfen verschiedene Käsesorten und auch das unvergleichlich wohlschmeckende Joghurt verkosten und hören über Unterschiede der Zubereitung von Ricotta, Camembert und Schnittkäse.
Brigitte berichtet das alles in ihrer so fröhlichen Art, all ihr Wissen und ihre Erfahrungen sprudeln nur so aus ihr heraus. Andreas setzt sich kurz zum Jausnen zu uns, um dann weiter Heu zu führen. Der Tag hat für ihn um 4:30 begonnen und abends steht noch die Ballett-Aufführung ihrer Tochter Katharina im Stadtsaal von Lienz auf dem Programm. Und dennoch strahlt Andreas so viel Ruhe aus, nimmt sich Zeit, um seinen persönlichen Zugang zum ökologischen Landbau zu beschreiben. Er war schon immer Biobauer, schon sein Vater hat ganz selbstverständlich Kreislaufwirtschaft betrieben, noch bevor es die Bio- Zertifizierungsmöglichkeiten in Österreich überhaupt gab.
Dieser Geist wird an allen Ecken und Enden des Joasa Hofes spürbar - in so viel Begeisterung für ein Leben im Einklang mit der Natur. Barbara Brunner hat es in ihrem Speisereisebericht über den ersten Besuch am Joasa Hof 2021 so treffend zusammengefasst: „Am Joasa Hof bekommt man viel mehr als nur ein Produkt – nämlich das Gefühl für eine authentische Lebensweise, die Mensch und Natur untrennbar ineinander verwebt – wie ein fein gesponnenes, buntes, lebendiges Netz.“
[Speisereisebericht von Susanne Muhar]